- Ein erneuter, aber begrenzter Handelskrieg könnte das nominale Wachstum des globalen Handels im Jahr 2026 unter 5 % (‒0.6 Prozentpunkte) drücken, wobei in den Jahren 2025‒26 in Europa und China Exporte in Höhe von 67 Mrd. USD gefährdet wären (die Hälfte des weltweiten Gesamtvolumens).
- In der Vergangenheit kosteten die Zölle auf chinesische Importe die EU 38 Mrd. USD pro Jahr, verglichen mit 17 Mrd. USD pro Jahr für die USA.
- In den letzten zwei Jahren sind die bilateralen Handelsströme zwischen geopolitisch nahestehenden Ländern um 620 Mrd. USD gestiegen und machen nun 60 % des Welthandels aus.
- Es wird erwartet, dass der Anteil der nächsten Generation von Handelszentren an den weltweiten Exporten in den nächsten fünf Jahren um 1.6 Prozentpunkte auf 1 274 Mrd. USD steigen wird.
- Auch die Schweiz wird vom wahrscheinlichen Handelskrieg zwischen den USA und China betroffen sein und hat mit einem Rückgang der Exportgewinne zu rechnen.
Wallisellen, 14. November 2024 – Obwohl der Welthandel nach wie vor stark mit der US-Wirtschaft verflochten ist, hat sich China zu einer neuen Supermacht entwickelt, die sich auf ihre entscheidende Rolle in der globalen Produktion und ihren grossen und wachsenden Binnenmarkt stützt. Gemäss einer neuen Studie von Allianz Trade, dem weltweit führenden Anbieter von Warenkreditversicherungen, verändern die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China die globalen Lieferketten und ebnen den Weg für neue Handelsmächte.
Mögliche Szenarien für die Schweiz
Allianz Trade hat für die Schweiz verschiedene Szenarien berechnet. Vor den US-Wahlen wurden für die Schweiz im Zeitraum 2025‒2026 kumulierte Exportgewinne in Höhe von 52 Mrd. USD erwartet. Angesichts eines wahrscheinlichen Handelskriegs wird nun mit einem Rückgang um 3,4 Mrd. USD auf 48,6 Mrd. USD gerechnet. In einem Extremszenario eines ausgewachsenen Handelskriegs würden die Schweizer Exportgewinne im gleichen Zeitraum auf 42.5 Mrd. USD sinken, was 9.5 Mrd. USD unter unserer vorherigen Schätzung liegt.
Handelskrieg durch Trumps Rückkehr ins Amt neu entfacht
In seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident wird Donald Trump wahrscheinlich die Zölle auf chinesische und andere strategische Importe erhöhen (auf 25 % für erstgenannte und auf 5 % für den Rest der Welt, ohne Mexiko und Kanada), was das nominale Wachstum des Welthandels im Jahr 2026 um 0.6 Prozentpunkte verringern würde, da die meisten Massnahmen ab der zweiten Jahreshälfte 2025 in Kraft treten würden. China und die EU würden den grössten Teil der Kosten tragen, da in den Jahren 2025‒26 Exporte in Höhe von 67 Mrd. USD gefährdet wären, insbesondere in den Bereichen Automobilproduktion, Transportausrüstung und Metalle. Vergeltungsmassnahmen könnten die US-Pharma-, Automobil-, Metall-, Agrar- und Lebensmittelindustrie sowie den Maschinenbau treffen.
«Im Falle eines ausgewachsenen Handelskriegs (60 % Zölle auf China und 10 % auf den Rest der Welt, einschliesslich Mexiko und Kanada) würde das 2,4 Prozentpunkte des nominalen Welthandelswachstums kosten. China, Mexiko und Kanada wären am härtesten betroffen, mit kumulierten Exportverlusten von insgesamt fast 217 Mrd. USD im Zeitraum 2025‒26. Aber dieses Szenario scheint unwahrscheinlich, da auch die USA einen hohen Preis zu tragen hätten», erklärt Ana Boata, Head of Economic Research bei Allianz Trade.
Amerikanisches «Godfathering» vs. Chinas «Seiden»-Doktrin
Der Welthandel wird zunehmend von den konkurrierenden geoökonomischen Agenden der USA und Chinas geprägt. Die US-Importe haben sich von China gelöst und China exportiert seinerseits mehr an seine eigenen geopolitisch engen Partner (Russland, Singapur, Vietnam, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien). Vor diesem Hintergrund ist der bilaterale Handel zwischen geopolitisch verbündeten Ländern in nur zwei Jahren um 2 Prozentpunkte (620 Mrd. USD) auf 60 % des Welthandels gestiegen.
«Die handels- und industrieorientierte „Seiden“-Doktrin Chinas setzt vor allem auf sanfte Macht und verbindenden Einfluss., während das amerikanische «Godfathering» auf vier Säulen beruht: (i) ein unerschütterliches Engagement, zentrale nationale Interessen um jeden Preis zu schützen, (ii) die Sicherung der Loyalität innerhalb des Netzwerks historischer Verbündeter, (iii) eine aktive wirtschaftliche und militärische Haltung gegen Rivalen und (iv) die Ausweitung des amerikanischen Einflusses und der Kontrolle auf neue Bereiche wie die Raumfahrt, Technologie und KI», erläutert Ano Kuhanathan, Head of Corporate Research bei Allianz Trade.
Neue Handelszentren gehen als Gewinner hervor, machen aber die globalen Lieferketten komplexer
In den kommenden Jahren dürfte der globale Handel unter seinem langfristigen Durchschnitt wachsen. Gleichzeitig zeigt der Supply-Chain-Komplexitätsindex von Allianz Trade 1, dass die globalen Handelsströme immer komplexer werden, wobei sich das Komplexitätsniveau seit 2017 verdoppelt hat und im Vergleich zu den Pandemiejahren um das 6-fache gestiegen ist. In diesem Zusammenhang identifiziert Allianz Trade 25 Volkswirtschaften, die von dieser neuen geoökonomischen Ordnung profitieren könnten, da sie vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden Handelskrieges mit den USA wettbewerbsfähiger als China sind.
«Neben schnell wachsenden Volkswirtschaften wie Indien hat dieser Wandel Ländern wie Vietnam, Malaysia, Indonesien und den Vereinigten Arabischen Emiraten die Türen geöffnet, um sich als Handelszentren der nächsten Generation zu etablieren. Wir gehen davon aus, dass der Anteil dieser Volkswirtschaften an den weltweiten Exporten in den nächsten fünf Jahren um 1.6 Prozentpunkte auf 1 274 Mrd. USD steigen wird. Da diese Zentren wachsen und bis 2029 bis zu 21.3 % aller weltweiten Exporte abwickeln werden, müssen sie rund 120 Milliarden US-Dollar allein in die Hafeninfrastruktur investieren, um ihre Dynamik aufrechtzuerhalten», bemerkt Françoise Huang, Senior Economist für Asien-Pazifik und Handel bei Allianz Trade, hinzu.
Parteinahme in der neuen geoökonomischen Ordnung
Anhand der Handelszentren der nächsten Generation und der geopolitischen, handelspolitischen und grenzüberschreitenden Investitionsbeziehungen anderer grosser Volkswirtschaften mit den USA bzw. China berechnet Allianz Trade die geoökonomischen Entfernungswerte im Verhältnis zu beiden Ländern2. Diese Ergebnisse zeigen, dass Chinas Einflussbereich mehr Handelszentren der nächsten Generation aus den Schwellenländern umfasst, während der grösste Teil des westlichen Blocks näher an den USA bleibt.
Es überrascht nicht, dass das Vereinigte Königreich den USA am nächsten liegt, gefolgt von Irland und den Niederlanden, während Kanada auf Platz 4 und Mexiko nur auf Platz 28 liegen. Die meisten afrikanischen und asiatischen Länder liegen näher an China: im Durchschnitt 0,5 für afrikanische Länder gegenüber 0,7 für die USA und 0,4 für asiatische Länder gegenüber 0,6 für die USA. Kanada ist nach Hongkong die zweitnächste Volkswirtschaft zu China und hält sich in der Nähe der beiden Supermächte.
«Australien, Südkorea und Griechenland sind weitere Länder, die den gleichen Abstand zu den USA und China halten. Diese Länder stehen den USA geopolitisch näher, unterhalten aber sehr starke Handels- und Investitionsbeziehungen zu China. Diese Position könnte zunehmend unbequem werden und sie zwingen, Partei zu ergreifen, wenn sich die neue geoökonomische Ordnung um die Konfrontation zwischen den USA und China deutlich verschlechtert.», erklärt Françoise Huang.
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1 Dieser Index berücksichtigt Verschiebungen der Handelsströme, die geografische Entfernung, die geopolitische Ausrichtung und unsere Länderrisikobewertung.
2 Diese Punktzahlen reichen von 0 (sehr nahe) bis 1 (sehr weit entfernt).